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Gemeindezentrum Wiesloch

Ein preisgekrönter Holzbau für die Petrusgemeinde

Die Evangelische Kirchengemeinde Wiesloch beauftragte Waechter + Waechter, Architekten aus Darmstadt, mit dem Bau eines neuen Gemeindezentrums. Der eingeschossige Neubau nimmt eine Grundfläche von 1.100 m2 ein. Dabei bilden der Gemeindesaal und ein Innenhof gleicher Größe das neue ‚Herz’ der Petrusgemeinde, die übrigen Nutzungen des Zentrums liegen ringförmig um diese neue Mitte.

In den letzten drei Jahren hat dieser Bau mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Holzbaupreis Baden-Württemberg 2018. In der Begründung hieß es, dass die „feinsinnig ausgearbeitete Konstruktion des Veranstaltungsraums mit seiner spannungsreichen Wechselwirkung aus Stabtragwerk und Fläche“ und der „weithin sichtbare, edle Kern aus Holz mit seinen besonderen Raumproportionen und der markanten Höhe“ mit entscheidend für die Auszeichnung gewesen sei.

Historische Stadtmauer und schwierige Bodenverhältnisse

Die bauliche Umsetzung gestaltete sich von Anfang an kompliziert, da man bei den Erdarbeiten auf historisch interessante Reste der alten Wieslocher Stadtmauer gestoßen war. „Diese wurden vom Denkmalamt untersucht und aufgemessen und durften nicht ausgebaut, aber überbaut werden. Die Planung des UGs musste somit nochmals angepasst werden, da die Mauer sonst mit der Außenwand kollidiert wäre“, erklärt der verantwortliche Projektleiter der IngenieurGruppe Bauen, Dr. Halim Khbeis.


Darüber hinaus erhielt das Evangelische Gemeindezentrum eine Pfahlgründung. Denn es stellte sich heraus, dass man nicht tiefer auskoffern konnte, weil ein mit Schwermetallen belasteter Baugrund vorlag. Diese Schwermetalle stammten ursprünglich aus der Zeit des frühen Mittelalters, in der hier Silbererze geschürft wurden. Bei der Verhüttung und Silberscheide wurden Arsen sowie andere Schwermetalle freigesetzt. Der Bodenaushub musste als „Sondermüll“ (DK-III-Klasse) entsorgt werden, was entsprechende Mehrkosten verursachte. Um diese zu minimieren, galt es auch die Menge des Aushubs so klein wie möglich zu halten.

Für die Wahl der wirtschaftlichsten Gründung wurden mehrere Varianten untersucht. Entschieden hat man sich schließlich für ein förderarmes Pfahlbohrverfahren mit Verdrängungspfählen, das man bei eher kleinen, eingeschossigen Gebäuden sonst eher nicht erwarten würde.

Um die genaue Anordnung der Bohrpfähle zu bestimmen, war es im Vorfeld zudem erforderlich, die Bauzustände im Hinblick auf die verschiedenen Positionen der schweren Pfahlbohrgeräte am bestehenden Geländeversprung zu überprüfen. Nicht zuletzt auch, um Schädigungen an der historischen Stadtmauer durch das schwere Bohrgerät zu vermeiden.


Das Tragwerk

Der Gemeindesaal in Holzbauweise ist als Kubus mit einer Breite von rd. 10,5 m und einer Länge von rd. 16,5 m konzipiert. Mit rd. 7,1 m Höhe überragt er das restliche Gebäude. Halim Khbeis erläutert: „Das Tragwerk ist im engen Austausch mit den Architekten über mehrere Gestaltungsvarianten entwickelt worden.“ Die rd. 10 m weit gespannten Decken bilden schlanke, parallelgurtige Brettschichtholz-Träger (b/h = 8 cm x 84 cm), die diagonal versetzt zur benachbarten Außenwand spannen. Sie sind spiegelbildlich angeordnet, so dass sich ein symmetrisches Rautenmuster mit spitzen Winkeln ergibt. Die Brettschichtholz-Träger sind sämtlich tragender Teil eines Trägerrosts. Hierfür war erforderlich, jeden zweiten Binder in Feldmitte voll tragfähig zu stoßen. Für die Anschlüsse der „Zwickel“ entlang der Mittelachse bzw. am Y-förmigen Übergang zu den Randträgern, knapp vor den Stützen, wurden spezielle Stahl-Verbindungsknoten entwickelt. Sie schließen die einzelnen Holzbauteile kraftschlüssig zusammen. Die Bleche der Verbindungsknoten sind zudem innerhalb der Holzquerschnitte angeordnet, so dass sie bei Brand vor Feuer geschützt sind. Für diese Sonderbauteile wurden über die vereinfachten Bemessungen hinaus zusätzlich Finite-Elemente-Modelle erarbeitet, um den jeweiligen Kraft- und Spannungsfluss bewerten zu können“, sagt Dr. Halim Khbeis.

Die schlanken Brettschichtholz-Stützen (b/h = 9 cm x 30 cm), auf die sich der Trägerrost über kleine Ausleger abstützt, sind auf Abbrand bemessen und konnten daher – ebenso wie der Trägerrost selbst – sichtoffen, also unbekleidet bleiben.

Das Holztragwerk ist gezielt als Teil der Architektur gestaltet worden und macht damit auch die Tragwirkung des Ingenieurholzbaus nachvollziehbar.

Erst die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Architekten, der IngenieurGruppe Bauen und dem Bauherrn ermöglichte dieses außergewöhnliche Gebäude mit seinen vielen, im Detail versteckten Finessen und hohen Anforderungen.

Projektauszeichnungen: Hugo-Häring-Preis 2017 / Holzbaupreis Baden-Württemberg 2018 / Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2020